Von: Julia Bierenfeld

Antientzündliche Ernährung bei MS: Julia Bierenfeld im Experteninterview

Eine antientzündliche Ernährung und eine gesunde Darmflora sind der Schlüssel zu mehr Wohlbefinden bei Multipler Sklerose. Diesbezüglich spielen Antioxidantien, Ballaststoffe und gesunde Fettsäuren eine Hauptrolle. Der Grund: Während ungünstige Lebensmittel wie Fleisch und Zucker chronische Entzündungen fördern können, gehören naturbelassenes Gemüse, Obst, frische Kräuter und Omega-3-Fettsäuren als Superfood täglich auf den Speiseplan. Wie sich Ernährungstipps unkompliziert in den Alltag integrieren lassen, erklärt uns Julia Bierenfeld im folgenden Interview.

Frau Bierenfeld, wir begrüßen Sie herzlich und freuen uns, dass Sie uns als Spezialistin rund um das Thema Ernährung bei Multipler Sklerose zur Verfügung stehen.


Sanitäts-Online
: Multiple Sklerose ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen, die uns bekannt ist. Sie selbst haben vor einigen Jahren die Diagnose bekommen. Haben Sie vorher schon in irgendeiner Art Berührungspunkte mit der Krankheit gehabt?

Julia Bierenfeld: "Ich hatte vorher keinerlei Berührungspunkte mit der Krankheit, wusste aber, dass meine Patentante betroffen war. Allerdings hatten wir mit ihr keinen Kontakt und ich wusste nur, dass sie im Rollstuhl saß. Später, nach der Diagnose, hatte ich das Gefühl, immer mehr Menschen in meinem Umfeld bzw. im Umfeld meiner Eltern zu kennen, die MS haben.

Als ich meine Diagnose damals bekam, wusste ich noch nicht mal so recht, was MS überhaupt ist. Ich dachte immer, es sei Muskelschwund – zumindest war das für mich damals die Erklärung, warum meine Patentante in so jungen Jahren bereits im Rollstuhl gesessen hatte. Natürlich habe ich mich dann erst einmal informiert, um zu wissen, was es bedeutet, mit MS zu leben."

Sanitäts-Online: Ziemlich sicher muss man nach so einer Diagnose erstmal das eigene Leben umstellen und sich neu strukturieren. Hat sich Ihre Einstellung zum Leben und auch vielleicht zur eigenen Gesundheit verändert, nachdem Ihnen Ihre Erkrankung bekannt wurde?

Julia Bierenfeld: "Auf jeden Fall! Eigentlich hatte ich gleich bei dem nächsten Termin beim Neurologen gefragt, was ich tun kann, außer einer Basistherapie. Vielleicht etwas mit Sport oder Ernährung. Die Antwort war leider ernüchternd. „Machen Sie weiter wie bisher.“ Dieser Satz hat mich so sehr bewegt und einen inneren Widerstand in mir ausgelöst, dass ich es einfach selbst in die Hand genommen habe. Mein erstes Ziel war damals, erst einmal Gewicht zu verlieren, denn ich hatte einige Kilos zu viel. Dann fing ich langsam mit der anti-entzündlichen Ernährung an, probierte Vieles aus.

Für mich war schnell klar, dass ich nicht mehr so leben will wie zuvor, denn schließlich hat mich wahrscheinlich mein Lebensstil in diese Situation gebracht. Ich gehe heute viel wertschätzender mit mir und meiner Gesundheit um. Ich zerbreche mir nicht mehr über jedes Kribbeln den Kopf, weil es das für mich nur noch schlimmer macht. Ich versuche mit einer positiven Einstellung durch mein Leben mit MS zu gehen und das hat mir bis heute wirklich viel gegeben."

Sanitäts-Online: Angefangen haben Sie ja mit einem Blog über das Leben mit Multipler Sklerose. Anschließend haben Sie ein Zertifikat zur Fitnesstrainerin gemacht, dann ein Zertifikat zur Ernährungsberaterin und letztendlich haben Sie sich selbständig gemacht mit Ihren Beratungskonzepten und jb health concepts. All das in nur 6 Jahren, sehr beeindruckend. Was war Ihre Motivation bzw. Ihr Drive dahinter, um so stark durchzustarten in so kurzer Zeit?

Julia Bierenfeld: "Gerade in den letzten Tagen habe ich meine Reise bis hierhin auch noch einmal Revue passieren lassen. Es ist unglaublich, dass ich all das in 6 Jahren erreicht habe. Es war eine so intensive Zeit mit vielen Höhen und Tiefen und ich bin dankbar und voller Demut, dass all das so gekommen ist. Meine Motivation war ganz klar, für mich ein gesundes und unbeschwertes Leben zu erschaffen. Als ich dann aber auch gemerkt habe, dass immer mehr Menschen mit MS nach meinem Rat zur Ernährung gefragt haben und welche Freude es mir bereitet hat, ihnen Tipps zu geben und dann auch noch zu sehen, wie sie diese umsetzen. Es war einfach unglaublich schön und bereichernd. Auch wollte ich die Ernährung mehr in den Fokus rücken, denn als ich 2014 meine Diagnose bekommen habe, blieben so viele Fragen zu Ernährung und Lebensstil unbeantwortet. Heute hat sich das glücklicherweise gewandelt und die Ernährung rückt immer mehr in den Fokus."

Sanitäts-Online: Eines Ihrer Spezialthemen ist die anti-entzündliche Ernährung. Dass eine gesunde Ernährung sehr wichtig für die Gesundheit ist, ist vermutlich vielen Menschen bereits bewusst. Aber was hat es mit dem Konzept der anti-entzündlichen Ernährung auf sich?

Julia Bierenfeld: "Die anti-entzündliche Ernährung legt den Fokus auf eine pflanzenbasierte Ernährung und damit die Reduktion von tierischen Lebensmitteln. Auch sollten Junk Food und stark verarbeitete Produkte sowie Zucker stark reduziert werden. Außerdem ist die Zufuhr der richtigen Fette sehr wichtig. Mehr Omega-3 aus Leinöl, dafür weniger Omega-6 und wenig oder besser überhaupt kein Sonnenblumenöl.

Eine anti-entzündliche Ernährung ist reich an Ballaststoffen für eine gesunde Verdauung und liefert zudem wertvolle entzündungshemmende Nährstoffe."

Sanitäts-Online: Vielleicht nochmal etwas konkreter, da das wahrscheinlich ein sehr kompliziertes, aber unglaublich hilfreiches Mittel für Menschen ist, die ein Leben mit Multipler Sklerose bestreiten. Wie kann man durch eine gesunde Ernährung die Krankheit beeinflussen?

Julia Bierenfeld: "Gerade bei MS spielen Entzündungsprozesse eine entscheidende Rolle. Manche Lebensmittel haben eine ungünstige Wirkung auf diese Prozesse und können auch die Entstehung dieser begünstigen. Weitere Einflussfaktoren sind Übergewicht, Schlafmangel, Stress und Umweltgifte. Außerdem gibt es Untersuchungen, die sich mit dem Zusammenhang von einem Ungleichgewicht im Darm und der Entstehung von MS beschäftigen. Viele Betroffene leiden zusätzlich unter erheblichen Verdauungsbeschwerden. Auch hier kann das Entzündungsgeschehen negativ beeinflusst werden.

Eine anti-entzündliche Ernährung ist durch ihren hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln besonders gut geeignet für eine gesunde Verdauung. Auch die Auswahl der richtigen Fette fördert einen gesunden Darm.

Sie haben recht, das Thema ist sehr komplex, daher habe ich meinen Ratgeber „Die richtige Ernährung bei Multipler Sklerose“ geschrieben. Hier sind die wichtigsten Bausteine einfach und verständlich zusammengefasst, zum Nachlesen und leckere Rezepte zum Nachkochen."

Sanitäts-Online: Gibt es denn auch andere Mittel wie besonderen Sport oder Bewegung, um die Symptome von Multipler Sklerose zu lindern?

Julia Bierenfeld: "In jedem Fall hat ein gesunder Lebensstil zusätzlich einen positiven Einfluss auf den Verlauf der MS. Sport, Bewegung, ausreichend Schlaf und Stressreduktion sind dabei die wahrscheinlich wichtigsten Mittel. Gerade im Bereich Sport haben wir bei MS erhebliche Fortschritte gemacht. Auch hier gibt es Untersuchungen die zeigen, dass durch Sport die Fatigue (Erschöpfung) verbessert werden kann und auch neue Verknüpfungen der Nervenbahnen passieren können (Neuroplastizität) – so wie wir es auch von Meditation wissen. Damit können Menschen mit MS viel Lebensqualität zurückerhalten. Ein tolles Programm dafür ist das Funktionstraining der DMSG unter der Leitung von Stefanie Woschek. Es gibt Übungen im Sitzen, mit Unterstützung oder im Stehen – so ist eine Teilnahme für fast jeden möglich."

Sanitäts-Online: Sie leben ja jetzt selbst schon seit einigen Jahren mit Multipler Sklerose. Gibt es Geräte oder Hilfsmittel, die Ihnen den Alltag erleichtert haben?

Julia Bierenfeld: "Glücklicherweise bin ich bis heute nicht auf die klassischen Hilfsmittel angewiesen. Was mir jedoch in der Küche eine große Hilfe war, sind mein Thermomix und meine Vacuum Behälter. Damit ist es für mich besonders einfach, mein Essen vorzubereiten und aufzubewahren, bis es auf den Teller kommt."

Sanitäts-Online: Was möchten Sie Menschen mit Multipler Sklerose mit auf den Weg geben?

Julia Bierenfeld: "Ich glaube für Neudiagnostizierte ist es besonders wichtig, sich bei seriösen Quellen zu informieren und sich evtl. durch die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft beraten und unterstützen zu lassen. Auch eine Psychotherapie kann hilfreich sein, um diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten.

Eine positive Lebenseinstellung zu bewahren, finde ich auch sehr wichtig. Es gibt so vieles, was mit MS – auch mit Einschränkung – möglich ist. Und letztendlich sollte jeder seinen eigenen Lebensstil überdenken. Eine anti-entzündliche Ernährung, Bewegung oder Sport und Stress reduzieren mit Hilfe von Entspannungsübungen oder Meditation können dazu beitragen, das Wohlbefinden zu steigern und einen positiven Einfluss auf die MS zu nehmen."

 

autorenprofil julia Bierenfeld

Die zertifizierte Ernährungsberaterin Julia Bierenfeld hat sich auf eine antientzündliche Ernährung bei Multipler Sklerose spezialisiert. Darüber hinaus ist Sie Autorin und Expertin für alle Fragen rund um einen gesunden Lebensstil. Julia Bierenfeld ist selbst von MS betroffen und gibt ihre persönlichen Erfahrungen in ihrem Blog FITNESS • FOOD & MS weiter. Das Zentrum ihrer Arbeit bildet ein ganzheitliches, individuelles Coaching für Betroffene, um trotz MS Diagnose ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Komplettiert wird die Vita von Julia Bierenfeld mit Vorträgen, Workshops und ihrem Buch “Die richtige Ernährung bei Multipler Sklerose: Entzündungshemmend essen” mit zahlreichen Rezepten.

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